Agrarpfade

Future Prospects of Agriculture in the New German Bundesländer

Agrarpfade beschreiben Entwicklungsperspektiven der Landwirtschaft, sie sind also keine Wege über Feld und Flur. Die Methode geht zurück auf die Diskussion um die Energieversorgung Anfang der 1980er Jahre, also um die Frage mit oder ohne Kernenergie. Die Enquete-Kommission „Technikfolgen-Abschätzung und -Bewertung“ des 11. Deutschen Bundestages hatte Ende der 1980er Jahre mehrere Studien in Auftrag gegeben u.a.: „Perspektiven zur Zukunft der Landwirtschaft“, kurz die „Agrarpfade“. Diese Studie wurde vom ISP und der FG Umweltsystemanalyse der GhK unter der Leitung von Prof. Dr. H. Bossel durchgeführt. Im August 1989 wurde der Endbericht verfasst.

In den vorhergehenden Arbeiten hieß es lediglich Öko-Landbau vs. Industrialisierung. Dargestellt und untersucht wurden nun vier Entwicklungsmöglichkeiten/Agrarpfade (s.u.). Jeder dieser Möglichkeiten beginnt zunächst mit einem Plädoyer. Das ist weit mehr als ein „Leitbild“. Hier wurden die politischen Argumente widerspruchsfrei aufbereitet. Dazu bzw. daraus werden die jeweiligen Maßnahmen, Instrumente usw. entwickelt, um dieses Ziel erreichen zu können. Es folgt eine Folgenabschätzung. Dabei brechen sich die Ziele und abgeleiteten Maßnahmen an der Realität. Das Ergebnis wird dann anschaulich beschrieben und anhand eines umfassenden Kriterienkataloges für eine Entscheidungsfindung strukturiert und vergleichend aufbereitet. Abgesichert wird das Ganze durch zahlreiche Fachgespräche mit den Befürwortern der Agrarpfade und vor allem aber mit den spezialisierten Fachkollegen. Gab es kontroverse Positionen wurden dies neutral dargestellt. Einige der Folgenabschätzungen erfolgte mittels der Systemanalyse und der Computersimulation und das bereits im Jahr 1988/89.

Wie wir alle wissen kam 1990 die Deutsche Einheit. Das European Parliament, Scientific and Technological Options Assessment (STOA) hatte mein Büro 1993 dann mit einer Ergänzung der Agrarpfade für die neuen Bundesländer beauftragt. Im nachfolgenden einige Passagen aus einer Präsentation. Wenn man heute nach fast 30 Jahren die Beschreibung des Pfades „Pluralisierung“ liest, könnte es sich dabei auch eine Beschreibung der aktuellen Lage und der enormen Probleme in der heutigen Landwirtschaft handeln.

 

Und hier der Auszug aus der Präsentation in Potsdam im Juni 1993:

Einleitung

Wenn man alle Instrumente, mit denen heute die Verwaltung auf den ländlichen Raum einwirkt, hintereinander auflisten würde, reichten zwei DIN-A4 Seiten hierfür nicht aus. Jedes dieser Instrumente besitzt seine eigene Logik, wird von anderen Menschen entschieden und aus anderen Geldtöpfen finanziert - kein Wunder, daß in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, daß der Staatsapparat ineffizient ist - er ist dies hauptsächlich durch das unkoordinierte Handeln seiner Teile. Trotz einem sehr hohen Aufwand wird nur noch eine geringe Wirkung erzielt. Dies betrifft nicht nur das Zusammenspiel der staatlichen Kräfte, sondern mehr oder weniger das Zusammenspiel aller gesellschaftlichen Kräfte. Wir stehen vor der großen Aufgabe, eine vitale, nachhaltige und zukunftsorientierte Landwirtschaft in den neuen Bundesländern - bzw. in ganz Deutschland - aufzubauen. Dies wird nur gelingen, wenn die Bündelung und Mobilisierung von Kräften auf allen Ebenen erreicht wird: die der Politik und der Administration, der Landwirtschaft selbst und der Wirtschaft insgesamt, der Verbraucher und Bürger - schlicht aller Kräfte der Gesellschaft. Eine solche gemeinsame Bewegung zu einem ”new deal” benötigt als Kristallisationspunkt eine gemeinsame Vision.

Die Vision dient vor allem:

Die Potenz hierzu besitzen derzeit in der Bundesrepublik vier unterschiedliche Konzepte. In der von uns der STOA im März 1993 vorgelegten Studie (Folie 1) ”Perspektiven zur Zukunft der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern” werden diese aufgegriffen und im folgenden jeweils konsistent entfaltet. Diese Visionen implizieren jeweils unterschiedliche politische und administrative Handlungen, um die Landwirtschaft auf ihren Pfad in die Zukunft zu schicken. Die Folgen für Landwirtschaft, Gesellschaft und Umwelt sind beachtlich, in der Studie werden sie basierend auf einem breitgefächerten Kriterienkatalog kritisch analysiert.

Der systemwissenschaftliche Ansatz der dieser Arbeit zugrunde liegt ist eng verknüpft mit einem diskursiven Politikstil, der im klaren Gegensatz zum üblichen, positionellen steht. D.h., nicht die Wissenschaftler sollen politische Entscheidungen fällen, statt dessen werden die Ergebnisse so aufgearbeitet, daß Politiker und Bürger eine Möglichkeiten zur Verständigung und Entscheidung zugunsten eines tragfähigen ”new deal”, aber auch gegen irreführende Visionen haben. Das Ziel der Studie ist es nicht zuletzt, Begeisterung für eine gemeinsame und zukunftsorientierte Bewältigung der aktuellen Probleme zu wecken.

Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptteile:

  1. Aufnahme der im agrarpolitischen Raum existierenden Lösungs- und Wunschvorstellungen und deren Verdichtung zu typischen 'Visionen' oder 'Perspektiven'. Insgesamt wurden vier grundsätzlich unterschiedliche, idealtypische Vorstellungen ausgemacht.
  2. Systemwissenschaftliche Ausarbeitung der Visionen zu sog. 'Agrarpfaden'. Hier ging es darum, zu verdeutlichen und zu konkretisieren, wie, mit welchen Maßnahmen eine schrittweise Verwirklichung/Umsetzung der Visionen in die Realität aussehen könnte. Der Zeitraum der Betrachtung umfaßte etwa die nächsten 30-50 Jahre.
  3. Kritische Analyse und Vergleich der vier Agrarpfade anhand eines umfassenden Kriterienkatalogs (der wirtschaftliche, soziale, kulturelle, ökologische, weltpolitische Kriterien umfaßte).

Im ersten Schritt, bei der Aufnahme der agrarpolitischen Vorstellungen konnten wir vier idealtypische Grundpositionen ausmachen:

Perspektive A: Weltmarkt-HiTec-Landwirtschaft:
Die effiziente Regelung durch den freien Markt und die forcierte Entfaltung des Potentials der neuen Technologien konzentriert die Landwirtschaft auf die geeignetsten Standorte im Interesse einer kostengünstigen Versorgung.

Perspektive B: Pluralisierung der Landwirtschaft:
Die volle Integration der Landwirtschaft in die gesellschaftliche Entwicklung der wachsenden Qualitäts- bzw. Erlebnisorientierung und sozialen Differenzierung eröffnet der Landwirtschaft neue Einnahmequellen.

Perspektive C: Moderne Extensivierung:
Die ordnende Hand einer zentralen Administration garantiert die Erhaltung der Landwirtschaft auf der Gesamtfläche.

Perspektive D: Regional-ökologische Landwirtschaft:
Die Landwirtschaft ist Vorreiter und Teil einer veränderten, ökologischen und sozialen Gesellschaft.

Dieser ”4-Pfade-Ansatz” ist mit dem Anspruch der 'grundsätzlichen Vollständigkeit' verbunden: außer diesen vier Perspektiven gibt es gegenwärtig keine grundlegend anderen für die Entwicklung der Landwirtschaft (wie überhaupt für die allgemeine gesellschaftliche Zukunftsentwicklung). Das bedeutet, daß es nicht möglich ist, agrarpolitische Weichen zu stellen, ohne sich letztlich in der Grundrichtung für einen der vier Pfade zu entscheiden, und daß diese Entscheidung deshalb im Bewußtsein der weitreichenden Konsequenzen, die mit den jeweiligen Pfaden verbunden sind, getroffen werden sollte.

In diesem Vortrag will ich Ihnen die vier unterschiedlichen Entwicklungsperspektiven als agrarpolitische Gesamtkonzepte jeweils holzschnitzartig beschreiben wobei ich jeweils mit der politischen Vision beginne, um dann auf die administrativen Maßnahmen zu kommen, die notwendig sind um die politische Vision umzusetzen. Darauf folgt eine kurze Beschreibung der Folgen die für die Landwirtschaft zu erwarten sind. Zum Schluß will ich aus der kritischen Analyse von den vielen Aspekten die in der Studie behandelt werden nur zwei beleuchten, die für die neuen Bundesländer von besonderer Relevanz sind, nämlich die Auswirkungen auf strukturschwache Regionen und das Ost-West-Verhältnis.

Perspektive A: Weltmarkt-HiTec-Landwirtschaft

Die effiziente Regelung durch den freien Markt und die forcierte Entfaltung des Potentials der neuen Technologien konzentriert die Landwirtschaft auf die geeignetsten Standorte im Interesse einer kostengünstigen Versorgung.

Perspektive B: Pluralisierung der Landwirtschaft

Die volle Integration der Landwirtschaft in die gesellschaftliche Entwicklung der wachsenden Qualitäts- bzw. Erlebnisorientierung und sozialen Differenzierung eröffnet der Landwirtschaft neue Einnahmequellen.

Perspektive C: Moderne Extensivierung

Die ordnende Hand einer zentralen Administration garantiert die Erhaltung der Landwirtschaft auf der Gesamtfläche.

Perspektive D: Regional-ökologische Landwirtschaft

Die Landwirtschaft ist Vorreiter und Teil einer veränderten, ökologischen und sozialen Gesellschaft.

 

Ausblick

Mit dem Vertrag von Maastricht hat sich 'Europa', wie es scheint, zu einer A-Zukunft entschlossen. Deutschland neigt eher einer C-Landwirtschaft zu. Das Land Brandenburg will mit dem ”Brandenburger Weg” für seine Landwirtschaft eine B-Zukunft verwirklichen.

Allein hieran zeigt sich - von der heute stärker aufbrechenden öffentlichen Agrardiskussion ganz abgesehen -, daß auch auf politisch/administrativer Ebene der Streit um die Agrarzukunft noch längst nicht entschieden ist. Gerade die Situation in den neuen Bundesländern macht deutlich, daß diese Auseinandersetzung nicht von der Frage nach der Zukunft der Gesellschaft überhaupt zu trennen ist. Ein für Europa ganz entscheidendes Schlüsselproblem dabei ist, ob die Region der Weltökonomie 'geopfert' werden muß, oder ob es politische Wege gibt, die Region zu 'retten'. Die Perspektiven B, C und D machen hierfür unterschiedliche Vorschläge.

Um zur Klärung und letztendlich zur Bündelung der Kräfte zu kommen, muß die (agrar)politische Auseinandersetzung auf allen Ebenen geführt werden. Umfassende Grundsatzentscheidungen auf höchster Ebene brauchen ihre Zeit, und wenn sie getroffen werden, sind es oft nur formale Kompromisse, die den Streit auf die unteren Ebenen verlagern. Es ist von daher immer notwendig, auch auf unteren Ebenen nach tragfähigen Zukunftslösungen zu suchen, den Spielraum hierfür auszuloten und nach Möglichkeit auszuweiten.

Es wäre ein nächster sinnvoller Schritt, die hier dargestellten vier Perspektiven weiter zu konkretisieren, z.B. für einzelne Bundesländer. Wie groß ist für diese der Handlungsspielraum zu einer eigenständigen Agrarpolitik? Kann Mecklenburg-Vorpommern einen anderen Weg gehen als Brandenburg? Wie weit trägt es auf Länder- oder auf Regionalebene, sich eine Vision zu eigen zu machen, den zugehörigen Pfad im Blick auf die spezifischen Bedingungen und Instrumente zu entwerfen? Wie weit kommt man mit den eigenen Möglichkeiten, wenn es gelingt, die Kräfte vor Ort zu bündeln - auch wenn auf der übergeordneten Ebene der politische Klärungsprozeß noch nicht abgeschlossen und noch kein breiter Konsens erreicht worden ist? Muß Agrarpolitik 'unten' warten, bis die Entscheidungen 'oben' gefallen sind? Oder ist es vielleicht umgekehrt: daß übergreifende Entscheidungen, die wirklich zu einer tragfähigen Zukunftslösung führen, erst möglich werden, wenn 'unten' hinreichend konkrete Vorstellungen und Erfahrungen darüber existieren, in welche Richtung zu gehen ist, und sich genügend politische Kräfte dafür einsetzen?

 

 

Pfad A - Weltmarkt-HiTec-Landwirtschaft

Leitidee:

Weltoffener (Agrar-)Markt für eine globale optimale Faktorallokation und Entfaltung des gesamten Potentials neuer Technologien und Innovationen

Plädoyer:

Wissenschaftlich-technischer Fortschritt und das Steuerungssystem des freien Marktes, das die Produktionsfaktoren in die effizientesten Verwendungen lenkt, haben uns zu einer der führenden Industrienationen mit einem der höchsten Wohlstandsniveaus gemacht. Wenn wir unseren Lebensstandart sichern und in den neuen Bundesländern etablieren wollen, dann können wir uns nicht mehr den Anachronismus einer Agrarwirtschaft leisten, die nur durch wettbewerbsverzerrende staatliche Maßnahmen mit hohen Aufwand künstlich am Leben erhalten werden kann. Durch die internationalen Handelsverflechtungen wirkt ein Agrarprotektionismus darüber hinaus negativ auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung - Stichwort GATT.

Beschreiten wir diesen Zukunftspfad so werden sich große, kapitalintensive, durchrationalisierte Unternehmen im Agrarbereich entwickeln können. Der technische Fortschritt wird zu einer flexiblen Produktion führen, die eine breite Palette an Produktionsverfahren ermöglichen. Moderne Informationssysteme gewährleisten eine rasche und flexible ... von Vorleistungen und Vermarktung der Produkte. Auf dieser Grundlage kann eine betriebswirtschaftlich attraktive und nachhaltige Agrarproduktion aufgebaut werden.

Chance für die neuen Länder:

Bei der Verwirklichung dieses Pfades bieten die neuen Bundesländer gute Voraussetzungen. Auf Grundlage der bestehenden Organisations- und Betriebsgrößenstrukturen kann mit geringen Aufwand eine wirtschaftlich konkurrenzfähige Agrarproduktion aufgebaut werden. öffentliche Mittel werden frei und können für den Aufschwung Ost effizienter eingesetzt werden. Damit wird der wachsenden Staatsverschuldung vorgebeugt bzw. sie kann u.U. sogar abgebaut und die Wirtschaft insgesamt von dieser Bürde entlastet werden.

Maßnahmen:

 

 

Pfad B - Pluralisierung der Landwirtschaft

Leitidee:

Nutzung der Standortvielfalt in einem differenenzierten, flexiblen, qualitäts- und nachfrageorientierten Markt, Integration der Landwirtschaft in die gesellschaftliche Entwicklung

Plädoyer:

Angesichts einer sich u.a. auch durch die Ostöffnung geförderten rasch differenzierende Nachfragestruktur hat die Landwirtschaft nur dann eine Zukunft, wenn sie sich diesen Veränderungen offensiv stellt. Gerade die natur- und damit standortabhängige Produktion der Landwirtschaft bietet ideale Voraussetzungen für eine differenzierte, vielfältige und nachhaltige Produktion - ihre Produkte können so vielfältig sein wie die Standorte an denen sie entstehen. Ein 'künstliche' Herstellung von Unterschieden wie dies in andern Branchen erforderlich wird, ist hier nicht nötig - diese Unterschiede sind gewissermaßen naturgegeben. Zu den weiteren Vorteilen der Landwirtschaft zählt ihre Marktnähe und ihre große Anzahl und die vielfältigen Organisationsformen der landwirtschaftlichen Betriebe.

Auf diese Weise wird die Landwirtschaft endlich wieder voll in das gesellschaftliche Leben integriert, ihre Außenseiterrolle ist beendet. Nicht mehr der Familienbetrieb steht im Mittelpunkt, sondern eine Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen mit unterschiedlichen Produktionstiefen - aber mit hochqualifizierten und professionellen Unternehmern und Mitarbeitern. Neben diesen Unternehmenstypen werden einige Betriebe eine auf mengenzuwachs- und weltmarktorientierte Produktion betreiben.

In den neune Bundesländern bietet die Betriebsgrößenstruktur aufgrund und der dort bereits erfolgten Arbeitsteilung gute Voraussetzungen für diese Landwirtschaftzukunft. Neben der Organsatio bieten diese Größenstrukturen auch Vorteile bei der Vermarktung der Produkte. In den neuen Bundesländern wurde nicht zuletzt aufgrund der Mangelwirtschaft der DDR einige traditionelle Produktionsverfahren aufrechterhalten werden, die u.a. im Zuge der Modernisierung im Westen mittlerweile verloren gegangen sind. Neben diesen Fähigkeiten konnten sich auch einige landschaftliche und städtebaulich originäre Strukturen erhalten. Neben der Nutzung von Traditionsnahmen bieten sich hier gute Anknüpfungspunkte für ein erfolgreiches Marketing.

Maßnahmen:

 

 

Pfad C - Moderne Extensivierung

Leitidee:

Die ordnende Hand einer zentralen Administration garantiert die Erhaltung der einzelbetrieblichten Landwirtschaft auf der Gesamtfläche.

Plädoyer:

Es ist Aufgabe des Staates die Lösung der Überschußproblematik und der Umweltgefährdung zu lösen - er allein hat dazu die erforderlichen administrativen Mittel. über eine Steuerung von Angebot und Nachfrage landwirtschaftlich erzeugter Produkte mittels geeigneter Marktordnungs-instrumente kann die Lebensfähigkeit der Betriebe im gesamten Bundesgebiet gesichert werden. Hier erscheint eine Quotierung am effektivsten.

In einer solchen Landwirtschaft existiert weder ein verkrampfter Traditionalismus noch hektische Betriebsamkeit und Innovationssucht bzw.- zwang. Moderne die Möglichkeiten des technischen Fortschritts zur Kostenminimierung nutzende Einzelbetriebe prägen das Bild dieser Landwirtschaft. Die Landwirtschaft hält einen bestimmten Selbstversorgungsgrad der Nation aufrecht und nimmt gleichzeitig die notwendigen staatlich kontrollierten landschaftspflegerischen Maßnahmen wahr. Durch einen extensiven Einsatz der umwelt-proble-matischen Hilfsmittel (Dünger, PSM u.ä.) wird die Umwelt zudem entlastet. Zusätzlich besteht die Möglichkeit durch staatliche Förderung weitere Formen landwirtschaftlicher Biomasserzeugung zur Entlastung des Nahrungsmittelmarktes einzusetzen.

Letztlich ergibt sich in dieser Zukunft in den alten und neuen Bundesländern ein wirtschaftlicher Familienbetrieb, der in seiner Größe durch die verfügbare Arbeitskräfte begrenzt wird. In den neuen Ländern werden zahlreiche Gesellschaften (mit mehreren Eigentümern) wirtschaften. Das Wachstum wird durch steuerliche u.a. administrative Maßnamen begrenzt. Entscheidend ist jedoch, daß durch die Quotierung Flächen nur in sehr begrenztem Umfang auf den Markt kommen.

In den neuen Bundesländern mußte dreiviertel der vor der Wende in der Landwirtschaft arbeitenden entlassen. Die ländlichen Regionen in den neuen Bundesländern beginnt die Bevölkerung abzuwandern, da ihnen auch in anderen Wirtschaftszweigen keine Alternativen geboten werden. Zur Vermeidung einer sozialen Katastrophe in den ländlichen Räumen muß staatlicherseits alles getan werden, um den Zerfall zu stoppen und die Lage zu stabilisieren. Deshalb muß als unabdingbare Prämisse der Agrarpolitik für die neuen Länder gelten: Erhaltung der landwirtschaftlichen Produktion auf der Gesamtfläche.

Maßnahmen:

 

 

Pfad D - Regional-ökologische Landwirtschaft

Leitidee:

Die Landwirtschaft ist Vorreiter beim Umbau zu einer veränderten, ökologischen und sozialen Gesellschaft.

Plädoyer:

Die Industriegesellschaft steht vor der Herausforderung einer tiefgreifenden Neuorientierung. Kernfrage einer solchen Neuorientierung ist das Verhältnis des Menschen zur Natur.

Die Landwirtschaft, die mit ihrer Produktion unmittelbar und flächendeckend in die Natur eingreift, hat in dieser Frage eine exemplarische Funktion. Die Gesellschaft 'demonstriert' an der Landwirtschaft, wie ihr Umgang mit natürlichen Lebensgewohnheiten beschaffen ist. Die Landwirtschaft sollte zu einem Leitbild für einen neuen, nachhaltigen und haushälterischen Umgang mit der Natur für die gesamte Gesellschaft werden.

Zu einem solchen Umgang gehören kleinräumige und geschlossene Stoffkreisläufe, mehr noch : die Landwirtschaft muß insgesamt in ein möglichst kleinräumiges Vorleistungs- und Vermarktungssystem und ein entsprechendes Netz auch sozialer Beziehungen eingebettet werden. Angestrebt wird eine vielseitige und dezentral vernetzte Regionalentwicklung mit energie- und rohstoffsparenden, örtlich verfügbaren Ressourcen nachhaltig nutzender Wirtschaft, die an die soziokulturelle Tradition der Region anknüpft und diese weiterentwickelt. Leitvorstellung dieser Regionalisierung ist nicht die Autarkie der Region, sondern die Subsidiarität ('so viel wie möglich dezentral, so viel wie nötig zentral'.)

Kleinräumige direkte Austauschbeziehungen ermöglichen vielfältige Informationsflüsse zwischen Erzeugern und Verbrauchern bis hin zu persönlichen Kontakten. Ein neues Umwelt- und Qualitätsbewußtsein der Verbraucher und eine selbstbewußte, entwicklungsfreudige Landwirtschaft befruchten sich gegenseitig.

Unter den neuen Bedingungen besitzt neben den bereits in den alten Bundesländern üblichen Eigentumsformen (zunächst nur in den neuen Bundesländern) die Eigentümergemeinschaften eine hohe Attraktivität. Der Begriff des 'Bäuerlichen' ist hierzu aus seiner (traditionellen, westlichen) individualistischen Einengung herauszuführen. Auf diese Betriebsformen ist ein Teil der Fördermaßnahmen zugeschnitten. Solche Betriebe könnten eine typische Größe von 300 bis 500 Hektar mit 10 bis 20 Arbeitskräften haben (bei extensiver Grünlandwirtschaft wären es deutlich weniger Arbeitskräfte), wobei weitgehend alle Betreiber auch Eigentümer des Betriebes sind. Diesem Konzept inhärent ist auch eine weitergehende Verarbeitung der Produkte innerhalb des Betriebes zur Erhaltung einer möglichst großen Zahl von Arbeitsplätzen.

Diese landwirtschaftliche Zukunft gibt eine Chance zur Überwindung der Gegensätze von Ost und West (wie auch von Nord und Süd im globalen Maßstab); indem beide gemeinsam eine neue ökologische und stärker regional orientierte Entwicklungsrichtung einschlagen, anstatt daß der Osten eine hoffnungslose Aufholjagd beginnt und damit alle Fehler des Westens wiederholt. Gleichzeitig wird vor allem der heimatverbundenen ländlichen Bevölkerung ein neues Ziel gegeben.

Maßnahmen:

 

 

Kramer P., et al: Future Prospects of Agriculture in the New German Bundesländer (Perspektiven zur Zukunft der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern - im Rahmen der gesamtdeutschen Agrarentwicklung) Auftraggeber: European Parliament, Scientific and Technological Options Assessment (STOA). Veröffentlichung: Europäisches Parlament. STOA Programm PE Nr. 164.713. Luxembourg 1993

 

Weitere Information:

Dipl.-Ing. Peter H. Kramer - Büro für angewandte Systemwissenschaften in der Stadt- und Gemeindeentwicklung

 

 

 

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